Rock. Independent-Rock. Gitarre–Bass–Schlagzeug, klassisches Bandkonzept. Der Glaube an die Melodie, das Ideal der diskursiven Songlyrics, die Vision des künstlerisch in sich geschlossenen (Konzept–)Albums... alles vorzufinden bei den Guilty Guitars aus Hamburg. Alles auch schon mal da gewesen und deshalb dieser Tage allzu gerne mit dem Adjektiv "retro" versehen. Dabei ist der Begriff "Indie" selbst schon retrospektiv und sagt daher in einer Zeit, in der eine Retro-Welle der nächsten folgt nicht viel über eine Band wie Guilty Guitars aus; einer Zeit, in der sämtliche kreative Medien, Literatur, Film, Mode, Malerei, Photographie, Presse, Werbung und nicht zuletzt Musik unter der Masse an Zitaten, Querverweisen und genreübergreifenden Referenzen schon fast in Bedeutungslosigkeit versinken.
Man kann jetzt also den kleinsten gemeinsamen Nenner von z.B. Dinosaur Jr, Placebo und den Kinks suchen, Barrett, Bowie und die Beatles herbei holen oder Vergleiche mit Zeitgenossen wie The Strokes oder Motorpsycho bemühen, diese Band ist mehr als "klingt wie" oder "erinnert an" – aber was genau?
Da sind zunächst einmal die Gebrüder Jan und Stephan Basters, die äußerlich betrachtet meistens wie
gerade aus dem Bett gefallen und leicht durchzecht wirken. Hinter dem vom Lifestyle geprägten Junkie–Teint
und dem grüblerisch–melancholischen Naturell stecken zwei Typen, die miteinander und manchmal auch
gegeneinander aufmerksam reflektieren, was man so 'Welt' und 'Leben' nennt. Dabei kommt ihnen ihr
ausgeprägter Sinn für Humor zuhilfe, nicht zuletzt in Gestalt von Jörn Brucker, seines Zeichens Schlagzeuger,
den aufgrund seiner unerschütterlichen, ja schon stoischen Gemütsruhe ungefähr nichts aus der Bahn wirft.
Seine Unbeschwertheit überträgt sich ungeteilt in sein ewig groovendes Trommelspiel und verleiht damit
Guilty Guitars eine gewisse Leichtigkeit des Seins... es ist die vielbeschworene 'Chemie' die hier stimmt,
Guilty Guitars sind eine kleine Familie, und als solche mehr als die Summe der einzelnen Teile.
Als die Brüder Ende der 90er anfingen, eigene Songs zu schreiben, war das Projekt zunächst ein
Zwitterwesen, halb Singer–Songwriter–Duo, halb Rock'n'Roll–Combo, bis dann die Band entstand, die 2005
unter dem Namen "Guilty Guitars" das Licht der Öffentlichkeit erblickte. Eigenes Label, eigener Verlag,
eigene Produktionen kennzeichnen den Tatendrang und das Streben nach Autonomie – inmitten einer Zeit
von Superstar-Wahn und Angepaßtheit allerorten geht dieses Trio unbekümmert seinen eigenen Weg, mit
dem Indie–Spirit der 80er im Rucksack und Blick nach vorn. Dabei sind Guilty Guitars als Teil der deutschen
englischsprachigen Indie–Szene natürlich nicht allein auf weiter Flur, doch diese Band interessiert sich weder
für szenige Coolness noch für nostalgisches Alternative–Getue, sondern ausschließlich für die Entwicklung
einer Sprache... ihrer eigenen.
Wenn eingangs von Glaube, Ideal und Vision die Rede war, dann deshalb, weil das Trio bewußt auf
den inzwischen schon fast selbstverständlichen Kunstgriff des ironischen Bruchs verzichtet, der einstige
Trends und Überzeugungen benutzt und als Klischees wieder aufbereitet. Guilty Guitars haben nichts gegen
Ironie, auch nichts gegen Klischees, doch man wird das Gefühl nicht los, daß hier drei Wahrheitssucher
unterwegs sind, die irgendwie mehr wollen und bei Adam und Eva angefangen nochmal alles aufrollen, alles
auseinandernehmen und hinterfragen, um es dann Stück für Stück wieder neu zusammensetzen. Man mag
diese Herangehensweise pathetisch nennen, darf dabei jedoch nicht übersehen, daß sich erst aus dieser
authentischen Haltung heraus eine tiefere Dimension eröffnet: ein schier endlos weites Spielfeld mit dem
nötigen Spielraum für alle Facetten emotionaler und rationaler Bewegung, seicht oder tief, albern oder
ernsthaft, leidenschaftlich oder nüchtern, kalt oder warm... alles ist erlaubt, der Spielfreude sind keine
Grenzen gesetzt. Und aus eben dieser Spielfreude entsteht –neben all der vordergründigen Sehnsucht und
Melancholie– ein grenzenloser Optimismus, ein von Grund auf positives Lebensgefühl, das in der Musik von
Guilty Guitars transportiert wird. Oder wie es ein Songtitel treffend formuliert: "Anything is on the Road".
Thomas Schindler
Releases:
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*2005 "Days Of Golden Wealth" (GGR / Zebralution)
*2006 "Walk By Your Side" (GGR / Poor Dog Distribution / Zebralution)
*2008 "In Need Of Now" (GGR / RadarMusic)
*2009 "RMXD" (VÖ: 20.03.09 - GGR / free Download)